Zunächst mal: gelassen. Begegnet der künstlichen Beschneidung einfach gelassen. Denn, sich darüber zu ärgern, hilft ebenso wenig wie einige Tipps, die eher Hoax-Niveau haben.
Um was geht es?
Schon immer sehr, sehr lange ist es so, dass Facebook automatisiert entschieden hat, was ich in meinem News-Stream zu sehen bekomme und was nicht. Darüber entscheidet der sogenannte EdgeRank, ein Algorithmus, der errechnet, was für mich interessant ist, was weniger und was nicht. Ob und wie weit das sinnvoll ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Jedenfalls bedeutet das, dass noch lange nicht jeder Post, den ich als Seite schreibe, auch bei den „Fans“ ankommt. Denn das entscheidet der EdgeRank. Bei Personen kann man das justieren und festlegen, dass man von einer Person alles lesen möchte, was sie schreibt (siehe Abb. rechts).
Leider lässt sich das nur für Personen (persönliche Profile) einstellen. Für Facebook-Seiten funktioniert das leider nicht.
Daher macht zur Zeit aus schierer Verzweiflung die Runde, man solle doch Interessenlisten nutzen. Fans von Seiten werden von einigen Seitenbetreibern dazu aufgefordert, die Seite in eine Interessenliste aufzunehmen. Nur: Das behebt nicht das Problem! Deswegen taucht man mit seinem Seitenbeitrag trotzdem noch lange nicht zwangsläufig im News-Stream der Fans auf. Genauer gesagt: Es hat überhaupt keinen Einfluss darauf! Das einzige was passiert, ist, dass man in einem speziellen News-Stream auftaucht (nämlich dem der Liste), den man aber explizit und separat aufrufen muss. Das werden die wenigsten nutzen, und vor allem: man muss es aktiv tun. Das ist so ähnlich, als würde ich gleich die entsprechende Fan- bzw. Unternehmensseite aufrufen, nur dass ich hier quasi mehrere gleichzeitig aufrufen kann. Die Interessenlisten entsprechen also schlicht nichts anderem als den herkömmlichen Listen, über die wir bereits Personen verwalten können. Sie verschaffen keine zusätzliche Reichweite.
Was also kann ich als Seitenbetreiber tun, um meine Reichweite zurück zu gewinnen?
„Es hat sich in Bezug auf die Art und Weise wie deine Beiträge mit den Nutzern, denen deine Seite gefällt, geteilt werden nichts geändert.“ (Quelle: Facebook)
Das halte ich für eine glatte Lüge Schönung der Wahrheit. Nachweislich sind die Reichweiten bei Seiten drastisch eingebrochen. Es ist mehr als nur ein Gefühl, dass hier Reichweite künstlich gekappt wurde. Nun denn, Jammern nutzt nichts, wir müssen damit leben.
Theoretisch könnte man versuchen, an der Verbesserung des eigenen EdgeRanks zu arbeiten. Das dürfte sich aber als äußerst schwierig gestalten, da man den Algorithmus nicht kennt und auch die Ergebnisse nicht sehen kann. Dagegen ist die Suchmaschinenoptimierung für Google vergleichsweise ein Kindergeburtstag.
Bleiben also nur noch zwei Möglichkeiten, die auch ganz in Facebooks Sinne sind, denn dort will man Geld verdienen: Hervorgehobene Beiträge (Promoted Posts, siehe Abb.) und Werbeanzeigen (Facebook Ads). Die kosten zwar Geld, funktionieren aber gut und können im Einzelfall durchaus Sinn machen. Gerüchteweise sollen Anzeigen schonmal effektiver gewesen sein; das kann ich bisher allerdings weder bestätigen, noch dementieren.
Jedenfalls würde ich keinem Seitenbetreiber die erwähnte Methode mit den Interessenlisten empfehlen, sprich: diese den Fans der Seite anzutragen, die Seite auf eine solche zu setzen. Manche würden das in gewissem Maße als Nötigung bezeichnen. Es ist anbiedernd und aufdringlich und verschreckt meiner Ansicht nach mehr als es hilft. Noch dazu: Diejenigen, welche die Empfehlung überhaupt lesen können, weil sie in deren News-Stream erscheint, sind ohnehin die falsche Zielgruppe. ^^
Update (17.10.2012): Der oben erwähnte EdgeRank ist kürzlich geändert worden, und Facebook behauptet nun, dass dies qualitative Gründe habe. Das heißt auch, die von mir weiter oben als unwahrscheinlich angenommene Möglichkeit, den EdgeRank positiv zu beeinflussen, ist gar nicht mehr so unwahrscheinlich, sondern angeblich gewollt! Jedenfalls hat Facebook selbst nun ein Empfehlungsdokument verfasst, wie optimale Beiträge von Seiten aussehen sollten:
[download id="9"], 9 Seiten, Englisch.
Diese Anleitung hat Facebook übrigens sehr gut auf dem geschlossenen Marketing- und Vertriebsportal fbrep.com versteckt. (Danke, t3n, für den Hinweis!)
Bin gespannt, welche Erfahrungen wir damit machen werden. Vieles davon ist ohnehin selbstverständlich, manches wiederum schwierig und schade, wie z.B. Videos besser bei Facebook hochzuladen statt sie per YouTube einzubinden.
Hier könnt Ihr übrigens jederzeit Euren EdgeRank checken: edgerankchecker.com. Sehr spannend!
Update (22.10.2012): Für alle, die dennoch über das „böse Facebook“ und den „doofen EdgeRank“ und ähnlichen unreflektierten Quatsch jammern, hat Thomas Hutter einen lesenswerten Artikel geschrieben, den ich nur unterstützen kann: Tacheles über den Facebook EdgeRank und die Reichweite. Bitte lesen!
Dennoch würde ich mir wünschen, dass es möglich wäre, Seiten – ähnlich wie bei den Freunden über die persönlichen Profile – uneingeschränkt zu abonnieren, wenn man das möchte. Sprich: Dass ich auswählen kann, ob ich von einer Seite alles, nur Hauptmeldungen oder gar nichts lesen will (siehe oben). Da dies ohnehin nur ein Teil der „Fans“ machen würde, würde es auch den Promoted Posts und damit den Einnahmen seitens Facebook nicht entgegen laufen. Bitte, Facebook, denkt mal darüber nach!